Markus Wernig

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Ein paar Gedanken zu Jasinna, Flüchtlingen und Europa

12.09.2015

Unlängst wurde ich auf ein YouTube-Video aufmerksam gemacht, das angeblich interessante Informationen zur aktuellen Flüchtlingslage enthielte, "welche die österreichischen Mainstreammedien dem Volk völlig vorenthalten bzw. verschweigen". Veröffentlicht wurde es unter dem Titel "60 Millionen Menschen sind auf der Flucht" von dem YouTube-Pseudonym "Jasinna" am 24.08.2015.

Der nachfolgende Text ist das Resultat der Diskussion, die sich im Gefolge dieser Video-Empfehlung ergab. Er hat zwei Teile: Im ersten geht es um das Video und im zweiten um die Flüchtlingsfrage allgemein.

  1. "60 Millionen Menschen sind auf der Flucht": Gedanken zu einem höchst fragwürdigen Video
  2. "Die Schuld Europas": Gedanken zu den Hintergründen des Flüchlingselends

Teil 1: 60 Millionen Menschen sind auf der Flucht

Was immer man von YouTube und anderen Video-Blogs halten mag, sie ermöglichen neue Formen der Berichterstattung bzw. Meinungsäußerung zu Themen, die bis vor kurzem den herkömmlichen Medien, insbesondere dem Fernsehen und dem Kino vorbehalten waren. Eine inhaltliche Kontrolle oder gar Zensur der Beiträge findet in der Regel nicht statt.

Das ist großartig, nah dran am Lebensnerv des Internet, das schafft Freiheit!

Ja, das ist es. Wenn man weiß, wie man damit umgehen muss. Wenn man weiß, dass man die Beiträge, wie bei jedem andern Medium auch, hinterfragen muss; dass man sich die Quellen und Autoren genauer ansehen und sich auch die Frage nach deren Motivation stellen muss. Da ja bei privaten Videos eben keine Kontrolle vor der Veröffentlichung stattfindet, bleibt diese Aufgabe einzig beim Betrachter. Und auch inhaltlich falsche oder irreführende Berichte haben für die Autoren - wenn sie denn überhaupt namentlich bekannt sind - keine Konsequenzen. Das auch, weil es in der Anonymität sehr einfach ist, eine oder mehrere reale Personen (oder auch Organisationen) hinter einem Pseudonym und einem dazugehörigen Profilfoto zu verstecken ...

" Bei dem Video musste ich nach einer halben Stunde abschalten. Ich fand das schrecklich tendenziös, voll mit Halbwahrheiten und ziemlich dummen Verallgemeinerungen.
Dem Problem ist "sie" jedenfalls keinen Schritt nähergekommen, von Lösungen ganz zu schweigen. Statt dessen rührt "sie" da eine recht trübe Suppe von Ressentiments an, ohne irgendwas Neues hinzuzufügen, geschweige denn neue Ideen zu bringen.

Dabei kommen in dem Vid durchaus interessante Ansätze vor - nicht neu, wie gesagt, aber zumindest interessant:

  • es ist auf legalem Weg gar nicht mehr möglich, in Europa Asyl zu beantragen, da man ja vorher erst die Grenzblockaden überwinden muss
  • dass Männer, die ihre Frauen und Kinder (angeblich) in Kriegsgebieten zurücklassen, um selber Asyl zu beantragen, schon sehr schräg wirken

Aus dem Vid scheint hervorzugehen, dass ja ein Großteil der heutigen Flüchtlinge sog. "Wirtschaftsflüchtlinge" sind, die man lieber nicht aufnehmen sollte. Gegen "echte" Flüchtlinge hingegen hat man nichts.

So weit, so gut.

Problematisch finde ich hier v.a. zwei Dinge: Zum einen ist das 1:1, mehr oder weniger wörtlich die Argumentationslinie der Rechtspopulisten und Neofaschisten (zu denen der Beitrag eine eindeutige Nähe aufweist). Zum andern werden, als Beweis dafür, dass das überwiegend Wirtschaftsflüchtlinge mit "niederen Beweggründen" (d.h. Arbeit finden) sind, genau drei (3) Personen vor der Kamera zitiert, aus deren Worten das hervorgehen soll. Im Ernst. Drei von ... wievielen Hunderttausend? Andere, "echte" Flüchtlinge wurden da wohlweislich nicht vor der Kamera zitiert.

Und aus den Aussagen dieser drei wird dann pauschal auf alle Flüchtlinge geschlossen.

Und damit wird, nachdem in den ersten Minuten des Videos pauschal erst mal den USA allein (!) die Schuld an der gesamten Flüchtlingsmisere gegeben wird, die Grundhaltung gegenüber allen Flüchtlingen eingenommen: Alles potenzielle Sozialschmarotzer (um einen anderen neoliberalen Kampfausdruck zu gebrauchen).

Nächstes Problem:

Die Bild-Zeitungs-reifen Geschichten, wie brave Deutsche aus ihren Wohnungen "vertrieben" werden, um Flüchtlingen Platz zu machen. Auch das: hochgradig manipulativ.

Beitrag eins: die Baracken, die abgerissen werden sollen, um ein Flüchtlingszentrum zu bauen.
Zwei Frauen stehen an einem Zaun und reden über ein total heruntergekommenes Gelände mit offensichtlich einsturzgefährdeten Baracken (was der Kamarazoom dann noch eindrücklich beweist) und nennen es ihr Zuhause. Wer sind die Leute? Kein Name, kein Nachweis. Wo ist der Spielplatz, wo der Teich, von dem die eine redet? Im Beitrag nicht zu sehen. Aber egal. Selbst wenn das alles richtig wäre, was da aus dem Off behauptet wird, würde es nicht trotzdem einleuchten, solche Bruchbuden abzureißen? Und wenn da offenbar nicht viel mehr als 2-3 Leute gewohnt haben, ist das für die Betroffenen sicher schmerzhaft, aber im allgemeinen vermutlich schon vertretbar.

Beitrag zwei: die Familie, die aus ihrem Haus ausziehen muss.
Auch das: unangenehm, ja. Möchte ich nicht in der Situation sein. Aber wenn man dann erfährt, dass das Haus ja als Flüchtlingsunterkunft geplant war (gebaut wurde?), und an die Familie nur zwischenvermietet wurde, sieht es doch wieder etwas anders aus, nicht?

" Und vor allem eines: "Sie" spricht es nie offen aus, aber implizit wird mehrfach klar, dass "sie" dafür ist, Europa weiter bzw. sogar vermehrt mit Frontex-Zäunen abzuriegeln, um die "andern" draußenzuhalten.
Ich kann mir nur schwer eine geballtere Ladung an Chauvinismus und Zynismus vorstellen. Das ist jedenfalls nicht das Europa, für das auch ich damals abgestimmt habe.

Nächstes Problem:

Alle Politiker, Aktivisten usw., die sich für mehr Offenheit in der Flüchtlingspolitik einsetzen, werden verunglimpft und mit diffamierenden Titeln versehen (Sozialromantiker u.dgl.). Den drei namentlich genannten Grünen-Politikerinnen wird, ohne irgendeine Begründung, unterstellt, dass sie einer Flüchtlingsfrau mit Kind die Unterkunft für eine Nacht verweigern würden. Und so weiter in dem Stil. Selbstverständlich sind die angegriffenen Personen alle Exponenten von linken, grünen, alternativen Organisationen.

Das ist genau der Stil und Art der manipulativen Berichterstattung, den die Rechtsaußen-Presse gern hegt und auch hie und da tut, nur dass sie dank Pressegesetz dann auch für solche Ausrutscher zur Rechenschaft gezogen werden kann. Ein YouTube-Pseudonym kann man da nicht so einfach belangen.

Nächstes Problem:

Die wütenden Afrikaner, die auf der Via Domiziana randalieren, nachdem 6 ihrer Leute von der Camorra "beim Stehlen auf den Feldern" erschossen wurden.
Wie bitte? Muss man das jetzt wieder stillschweigend hinnehmen, wenn die Mafia Menschen erschießt? Brav den Bossen danke sagen und weiter kuschen?
Und: "beim Stehlen auf den Feldern". Erschossen, weil sie Tomaten, Melonen oder Kartoffeln geklaut haben???
Wer ein bisschen die Szene in Süditalien kennt, weiß, dass die afrikanischen Flüchtlinge für die Mafia weniger als Menschen sind. Sie werden benützt, um Geld zu machen (z.b. um die illegalen Giftmülldeponien zu füllen), in meist illegalen Wohnsilos am Stadtrand zusammengepfercht, und wenn sie keinen Nutzen mehr bringen oder irgendein Problem machen, wieder weggeworfen (sprich umgebracht). Und weder Staat (Polizei) noch Zivilgesellschaft scheinen etwas dagegen tun zu können (oder zu wollen). In dem Zusammenhang kann ich schon verstehen, dass sich das Problem auch mal auf der Straße entlädt.

Aber natürlich werden auch diese Bilder im Kontext des Kommentars gezeigt, der die allgemeine Grundhaltung gegen Asylanten zementiert, da sie ja offenbar undankbar, arrogant und gewalttätig sind. Mehrfach. Immer wieder.

Überhaupt: Die Auswahl der Beiträge. Wenigstens erwähnen hätte man ja schon dürfen, dass die gezeigten Ausschnitte die absolute Ausnahme sind. Dass sich in tausenden von europäischen Städten 365 Tage pro Jahr nicht ein einziges Mal irgendwas Vergleichbares abspielt. Dass in vielen Orten die Integration fruchtbar und von gegenseitigem Respekt getragen ist.

Das habe ich mit "dummer Verallgemeinerung" gemeint. Das Priorisieren von einzelnen, extremen Beispielen, um daraus ein scheinbares Allgmeinbild zu konstruieren. Ein Vorgehen, das jeder wissenschaftlichen oder zumindest ambitionierten Vernunft zuwiderläuft.

Und dann diese Schnitte. Es ist einfach unglaublich, wie hier zwischen kürzesten Gesprächsausschnitten und gewalttätigen, beängstigenden Szenen hin- und hergeschnitten wird, in deren Kontext die Gesprächsaussagen natürlich eine komplett andere Bedeutung annehmen.

Oder die Szene aus der Schweizer Dokumentation, in der ein junger Mann vor dem Eingang zum Flüchtlingsheim aufgeregt mit zwei Polizisten diskutiert. Laut Stimme aus dem Off empört er sich darüber, dass er kein Bier mit in das Aufnahmezentrum nehmen darf. Die Szene war ohne Ton gefilmt, offenbar aus einem Innenraum heraus. Woher also weiß die Stimme im Off, worum es bei der Diskussion ging?

" Zusammengefasst: Ich finde, das Video ist hochgradig manipulativ, vermischt Eindeutiges mit Spekulativem, um zweiterem Glaubwürdigkeit zu geben.
Es würde mich nicht wundern, wenn das Video aus der Mache einer Rechtsaußen-Organisation stammt.

Aus der Diskussion, die zu obigen Gedanken führte, ergab sich natürlich schnell die Frage, was ich denn so über die Flüchtlingsfrage denke.


Teil 2: Die Schuld Europas

Neben den USA und lokalen Kriegstreibern, die die Lebensgrundlagen der Menschen in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas zerstören, trägt Europa die Hauptschuld an den gegenwärtigen Zuständen.

Beispiel Afrika:

Die selbsternannten europäischen Herrenländer haben den Kontinent brutalst erobert, seine Bevölkerung versklavt, alle bestehenden sozialen Strukturen weitestgehend zerstört (so wie auch in Südamerika). Über Jahrhunderte hinweg wurden die Länder einzig und allein als Rohstoffquelle für die europäischen Fürsten- und Handelshäuser ausgebeutet, die Bevölkerung wurde als Sklaven verkauft.

Als sich die Europäer dann in den 60er Jahren offiziell aus den Regierungsgeschäften der Länder zurückzogen, hinterließen sie Gesellschafts- und Machtstrukturen, die sie zu dem Zweck geschaffen hatten, ihre eigene (heutzutage völkerrechtlicht absolut widerrechtliche) Herrschaft auszuüben, und die überhaupt nichts mit den lokalen Traditionen zu tun hatten. Wirtschaft, Rohstoffe und die (neu eingeführte) Industrie blieben aber in den Händen der privaten, also vor allem europäischen Besitzer (Fürsten- und Handelshäuser). Und so flossen und fließen auch seit damals (d.h. seit dem angeblichen Ende der Kolonialzeit) die Profite der lokalen afrikanischen Wirtschaften vor allem in europäische (und mittlerweile auch amerikanische und chinesische) Taschen. Und da die meisten von denen zunehmend einen Firmensitz auf den britischen Kanalinseln haben, zahlen sie noch nicht einmal Steuern dafür, die dann irgendeiner Volkswirtschaft irgendwo auf der Welt zugute kämen.

Insbesondere zahlen sie keine Steuern in den afrikanischen Ländern, wo sie tätig sind. Also sehen die von dem ganzen Reichtum, der in ihrem Land produziert wird, eigentlich nur den Staub der Lastwagenkolonnen, die das Geld abtransportieren.

Gleichzeitig zerstören aber die großen Rohstoffminen, Ananas- und Kautschukplantagen in Monokultur nachhaltig die lokale Umwelt und somit die Möglichkeit der Leute, wenigstens mir Hilfe der Landwirtschaft sich selber zu ernähren.

Die Fischerei an den Küsten Afrikas geht zugrunde, weil (vor allem europäische) Fischfangflotten die Gewässer außerhalb der 3-Meilen-Zone leerfischen, so dass die Fischbestände, von denen die Küstenfischerei lebt, nie mehr regenerieren können.

Die Regierungen der Länder halten sich vor allem durch Kredite aus Europa, Russland und den USA an der Macht, lokaler Widerstand gegen das Wirtschaftssystem, das den Menschen im eigenen Land so gut wie keine Perspektiven läßt, wird in der Regel blutig niedergeschlagen - entweder durch das (immer bestens ausgerüstete) Militär oder sonst durch bezahlte Söldnertruppen (die dann noch ganz andere Probleme nach sich ziehen, da ja niemand ihre Macht kontrolliert). Und je nachdem, welche Interessen auf dem Spiel stehen, schicken die europäischen Länder (v.a. Frankreich und England) auch immer wieder eigene Söldner (denn offizielle Truppen geht ja nur mehr schwer, aber sogar das kommt vor). Zudem werden die Kredite immer wieder als Druckmittel eingesetzt, um von den Ländern weitere Privatisierungen (d.h. Verkauf an ausländische Konzerne) von noch gewinnträchtigen einheimischen Ressourcen zu erzwingen, so dass die lokale Wirtschaft immer weniger wird.

Ich denke, in dem Zusammenhang ist es nicht schwer nachvollziehbar, wenn die jungen Menschen in dem Land keine Perspektiven mehr sehen. Denn außer in Minen oder Plantagen zu Hungerlöhnen zu malochen oder sich als Söldner zu verdingen bleibt ihnen in der Tat nicht viel zu tun. Und wenn sie nicht ganz auf den Kopf gefallen sind, werden sie auch schon herausgefunden haben, wer dafür verantwortlich ist.

Was bleibt ihnen also? Bleiben und die Verhältnisse ändern? Ehrenhaft, aber angesichts des blutigen Endes aller sozialen Reformversuche in Afrika in den letzten 50 Jahren ziemlich aussichtslos. Zudem ist ja nicht jeder zum Revolutionär geboren.

Also?

Also machen sie das, was ich in der gleichen Situation auch machen würde. Sie versuchen dorthin zu kommen, wohin das ganze Geld aus ihren Ländern abtransportiert wurde, denn, die Vermutung liegt nahe, dort muss es ja dann mehr als genug davon geben. Was im Grunde auch stimmt.

" Unser "Wohlstand" beruht in der Tat zu einem erheblichen Teil darauf, dass "unsere" Konzerne (d.h. die europäischen, amerikanischen, chinesischen) sehr billig an Rohstoffe und astronomische
Gewinne aus z.B. afrikanischen Ländern kommen, ohne dass die dortige Bevölkerung irgendwas davon hat. Also de facto auf dem Elend der Menschen in diesen Ländern.

Und was erwartet die flüchtenden Menschen dann am vermeintlichen Ende ihrer Reise? Ein zehn Meter hoher Stacheldrahtzaun und bewaffnete Soldaten. Oder ein überfülltes Boot, das von Kriegsschiffen zurück aufs offene Meer abgedrängt wird. So die Einsatzdoktrin des Frontex-Kommandos (unter welcher demokratischen Legitimation agieren die eigentlich?).

Ich denke, in diesem Licht betrachtet, gewinnen die Bilder von wütenden oder verzweifelten Hundertschaften, die versuchen, einen Zaun umzustürzen, doch eine etwas andere Bedeutung. Nicht? Ebenso wie die Aussagen der jungen Männer, die wütend sind, wenn ihre Asylanträge abgelehnt werden oder sie auf der Straße schlafen müssen.

In meinen Augen hat Europa also die verdammte Pflicht, jeden aufzunehmen, der aufgrund der menschenverachtenden Wirtschaftspolitik, die von EU und Konsorten (und den dortigen Konzernen) betrieben wird, in seinem Land kein Auskommen mehr hat.

" Ja, im Sinn der rechtspopulistischen Propaganda sind das schon "Wirtschaftsflüchtlinge".
Da aber die Wirtschaft, die unsere Länder betreiben, nichts anderes ist als ein Eroberungskrieg, sind sie eben genauso Kriegsflüchtlinge.

Damit ist das Problem aber noch nicht gelöst. Denn wie auch in dem Video richtig gesagt, braucht es auch Jobs für die Leute. Und auch die Aufnahme und Verpflegung von Flüchtlingen kostet Geld.

Für die Klage von europäischen Ländern (und auch der Macher des Videos), dass zuwenig Geld vorhanden sei, habe ich am wenigsten Verständnis. Die Gesetzgeber hätten es recht einfach in der Hand, den steuerfreien Geldabfluss aus den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu stoppen, indem sie die Steuerschlupflöcher stopfen (die sich übrigens alle auf britischem Hoheitsgebiet befinden). Müssten diese Gewinne versteuert werden, wäre sicher mehr als genug Geld vorhanden. (Das selbe gilt übrigens für die Gewinne aus dem inzwischen völlig "deregulierten" Finanzwesen.)

Aber auch damit wäre ja noch nicht das Problem gelöst, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge herrschten immer noch die selben Zustände.

Die einzige Lösung, die ich sehe, wäre die Rückführung der lokalen Ressourcen in die einheimische Wirtschaft. Als nächstes müssten die Rückzahlungen der völlig sinnlosen Militär- und anderer Kredite gestoppt werden, so dass die Länder wieder Mittel für den Aufbau einer eigenen Infrastruktur haben.

Die Einflussahme auf die lokale Politik (die meist mit diesen Krediten einhergeht und stets auf Deregulierung zugunsten privater, ausländischer Konzerne zielt) müsste eingestellt werden. Europa (USA, China usw.) müsste alle seine militärischen Truppen, "Berater" usw. zurückziehen und die Unterstützung lokaler Paramilitärs einstellen. Die erzwungenen Zollvorteile für europäische (amerikanische, chinesische) Waren müssten aufgehoben werden, so dass einheimische, evtl. nicht industriell hergestellte Produkte wieder eine Chance auf dem Markt hätten. Evtl. könnte man auch die Einfuhrzölle für Produkte aus diesen Ländern nach Europa (USA, China) bewusst senken - natürlich nur, wenn das dann tatsächlich den Menschen dort nützt und nicht irgendeinem Offshore-Trust.

Einige Länder in Südamerika versuchen dzt., diesen Weg zu gehen, indem sie Betriebe verstaatlichen, Konten einfrieren, Zinszahlungen stoppen. Der Widerstand der USA, Europas und ihrer Wirtschaftsorgane (Weltbank usw.) ist natürlich enorm, und es wird sich erst zeigen, ob sie damit erfolgreich sein werden.

Aber was soll mit all den Flüchtlingen sein, die jetzt ihr Heil in der Flucht nach Europa suchen?

" Wie schon gesagt, solange die europäischen Staaten es ihren Konzernen erlauben, die Herkunftsländer der Menschen so auszubeuten und zu zerstören, dass dort kein Leben mehr möglich ist, müssen sie die Menschen aufnehmen und beherbergen. Alle.

Dass die Probleme, die mit einer solchen Masseneinwanderung unweigerlich einhergehen, dann vor allem die einfachen Bewohner der europäischen Länder zu spüren bekommen (wie in dem Video natürlich mehrfach prominent dargestellt), ist dann aber freilich der Gipfel des blanken Zynismus.

Denn auch wenn deren Wohlstand (ja, im Vergleich zu den Zuständen in den Herkunftsländern kann man das Wort auch ohne Anführungszeichen stehen lassen) durchaus direkt und indirekt von den Gewinnen der Konzerne in diesen Ländern stammt (wieviele Europäer arbeiten in der Transportbranche, der Metallindustrie, in Handelshäusern, im Import/Export-Geschäft?), sehen auch sie zunehmend ihre Jobs schwinden, sehen sich mit einer angeblich immer schlechteren Wirtschaftslage konfrontiert, sehen ihre Löhne gedrückt ... Und von wem??

Genau. Die multinationalen Konzerne, die da in anderen Kontinenten dermaßen menschenverachtend vorgehen, verhalten sich in ihren "Heimatländern" natürlich nicht anders und sind einzig auf Profitmaximierung aus. Das heißt konkret, dass hier alle betrogen werden, die einen um ihr Leben, die andern um die Früchte ihrer Arbeit. Und der überwiegende Teil der Europäer sieht vermutlich überhaupt nie etwas von diesen Profiten...

Und da kommt es natürlich schon gelegen, wenn Medien und anonyme YouTube-Blogger sich in den Dienst der Sache stellen und die Hintergründe verschweigen, statt dessen aber die volle Aufmerksamkeit (und Ressentiments) der Menschen auf die Flüchtlinge lenkt und diese zum Problem erklärt. Obwohl sie ja in Wirklichkeit nur die Folge des Problems sind.

Und so lange wir dem alle tatenlos zusehen, wird das auch so bleiben.

Außer es kommt alles noch schlimmer.

Beispiele?

  • TTIP/TISA: Deregulierung des Handels EU-USA und gegenseitige Bevorzugung bei der Einfuhr. Afrikanische und südamerikanische Länder haben da natürlich dann noch weniger Chancen (mal ganz abgesehen davon, dass der Vertrag vor allem den USA nützt und viele europäische Standards im Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltschutz schlichtweg außer Kraft setzt).
  • Die "Euro-Krise": Griechenland, Spanien, Portugal, Italien, ... Diese Länder erhalten Kredite aus dem sog. "Euro-Rettungsschirm", im Gegenzug müssen sie "Berater" (die sog. "Troika") akzeptieren, die Einfluss auf die lokale Politik nehmen (und deren Maßnahmen stets auf Deregulierung zugunsten privater, ausländischer Konzerne zielen). Unter dem Druck der "Kreditgeber" werden von den Ländern weitere Privatisierungen (d.h. Verkauf an ausländische Konzerne) von noch gewinnträchtigen einheimischen Ressourcen erzwungen, so dass die lokale Wirtschaft immer weniger wird.

" Sieht hier jemand die Parallelen? Ich jedenfalls sehe hier einen weiteren Fall von Kolonialisierung, der sich direkt vor unseren Augen abspielt.

Im obigen Text ist Afrika nur als Beispiel gemeint. Dasselbe gilt auch für die Nahostregion, Südamerika und demnächst vermutlich auch für Länder wie die Ukraine usw. Natürlich ist der historische Ablauf im einzelnen immer ein bisschen anders. Gemeinsam ist ihnen aber, dass das Elend in den jeweiligen Ländern immer eine Folge wirtschaftlicher Interessen ausländischer Konzerne und entsprechender politischer/militärischer Interventionen der dazugehörigen Staaten ist.

"Die Großmächte" sind in meinen Augen eben auch nur ein Mittel, um von den wahren Ursachen abzulenken. Denn hinter den Interventionen der hochgerüsteten Industriestaaten stehen handfeste wirtschaftliche Interessen nicht irgendwelcher Staaten (niemand in Syrien bezahlt Steuern an das amerikanische oder russische Finanzamt), sondern von Firmen, Konzernen, und damit am Ende von privaten "Taschen".

Warum sich die Staaten in ihrer Außenpolitik von solchen Privatinteressen leiten lassen (genauso wie sie es in Afrika tun), ist dann wieder eine andere Diskussion. Dass hier eine gewisse chauvinistische "Herrenmentalität" im Spiel sein könnte, erscheint mir noch als eine der glaubwürdigeren Ursachen, greift aber vermutlich zu kurz. Ich vermute eher, dass es das internationale Verbrechertum (sprich die Verbrecher und Mafia aller nationalen Couleur) inzwischen überall bis in die höchsten Machtpositionen geschafft hat.

" Und, zu guter Letzt, doch noch ein Gedanke zu dem, was wir selber tun können:
Aus meiner Beobachtung ist derzeit der einzig mögliche Weg, Widerstand zu üben, auf der Straße. Keine Regierung, kein Machthhaber kann sich auf Dauer halten, wenn täglich tausende Leute auf der Straße demonstrieren.

Aber eben ...

Und jetzt ist's auch wieder gut.


Markus Wernig

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