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Doch, doch; es war schon so: sie
wollte mich verlassen. Helena, meine schöne Helena, hatte genug von
mir, und nichts, was ich tat oder sagte, konnte sie umstimmen. Wenn ich
am Morgen zur Arbeit ging, schlief sie noch, und wenn ich zurückkam,
war ich meistens zu müde, ich frage mich, wovon. Wir saßen dann
stundenlang im Garten, tranken Tee oder Wein, und manchmal gelang es uns
dann doch, die Zeit anzuhalten, uns, während wir Minute um Minute
neu erfanden, an ihr vorbeizudrücken, bevor sie weiterging, ohne uns
zu bemerken. Das waren die schönen Momente für mich, wie sie
das empfunden haben mag, weiß ich bis heute nicht. Ich hatte nicht
bemerkt, wie ihr das viele Reden über die Jahre zur Last geworden
war, wie sehr sie endlich etwas tun, leben wollte; während mir die
Suche genügte, hatte sie bereits gefunden und wollte ihren Fund jetzt,
wie sie sagte, möglichst gewinnbringend verprassen: sich selbst. Ich
war ihr, kurz, zu langweilig geworden. Heute weiß ich, daß
sie recht hatte, und ich weiß auch, daß es völlig unerheblich
ist, ob sie recht hatte oder nicht, sie war eine Welt für sich, und
in dieser Welt galten nun einmal andere Gesetze: die ihren. Damals beschwor
ich alle Geister, um ihr meinen Standpunkt, mein Gefallen, das ich an diesem
Leben fand, sichtbar zu machen, natürlich umsonst. Zu der Zeit, als
diese Geschichte begann, hatten wir bereits Angst voreinander, hauptsächlich
davor, der andere könnte ein Sück von dem, was jeder für
sein Leben hielt, beschädigen; wir hielten einander auf freundlicher,
doch sorgsam gehüteter Distanz.
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Ich wollte ihr von dem Alten hinter der Mauer erzählen, doch sie winkte ab, sagte etwas von "traurigen, leblosen Gestalten, die du immer mitbringst", und schaltete den Fernseher ein. Ein bekannter Politiker befand sich
im Hungerstreik gegen die Verlogenheit der Politik. Er sah sehr schlecht
aus. Schlecht ernährte Soldaten in einem der größeren Kriege
hatten einen Lebensmitteltransport ausgeraubt, der für ein Waisenhaus
im Feuer zwischen den Fronten bestimmt gewesen war. Sie sahen sehr schlecht
aus. Kein Bild von den Kindern. Ob sie hungrig gestorben sind? Die Helden
jedenfalls kämpfen weiter.
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